Berliner Literarische Aktion: Das verbindende Element im literarischen Hotspot Europas
Mit den Radial-Stipendien fördert der DÜF nun „internationale Übersetzer*innen“ in Deutschland. Wir sprachen mit Martin Jankowski von der Literarischen Aktion.
Im Herbst 2019 habt ihr im LCB unter dem Titel „Ü-Berlin. Die internationalen Übersetzer*innen Berlins“ eine eintägige Zusammenkunft organisiert. Worum ging es da?
Seit Jahren war uns bewusst, dass die vielen „nichtdeutschen“ (Berliner Senatsformulierung) Übersetzer*innen ein entscheidender Faktor für die vielsprachige Lebendigkeit gerade der Berliner Literaturszene sind. Gleichzeitig waren die internationalen Übersetzer*innen schlicht ein blinder Fleck in der Wahrnehmung der Kulturpolitik, da sie nach offiziellem (alt-nationalistischem) Politikverständnis ja anderen Nationen, Kulturen und Sprachräumen angehören. Dabei wissen wir alle, dass die reichhaltige Berliner Literaturszene weit über die Stadt hinaus Wirkung zeigt und sowohl national als auch international von großem Einfluss ist. Und die internationalen Übersetzer*innen Berlins, die oft kaum abgesichert und in „noch prekäreren“ Verhältnissen als ihre deutschen Kolleg*innen leben und arbeiten, sind gewissermaßen das verbindende Element der aktuellen Weltliteratur aus Berlin.
Wie groß ist die Überraschung, dass nun mit den „Radial-Stipendien“ des DÜF binnen eines Jahres ein entsprechendes Angebot geschaffen wurde?
Die internationalen, hier lebenden Übersetzer*innen leisten großes für die deutsche Gegenwartsliteratur und verdienen deswegen auch Förderung und Unterstützung. Dass sich diese Erkenntnis nun auch auf nationaler Ebene verbreitet und zu ersten konkreten Förderinstrumenten führt, macht uns natürlich sehr glücklich, zeigt aber auch, wie naheliegend diese Einsicht eigentlich war.
„Ü-Berlin“ fand im Rahmen eurer „Parataxe“-Reihe statt, welches Konzept steht dahinter?
Die PARATAXE ist eine multilinguale Veranstaltungsreihe an den interessantesten Literaturorten der Berliner Szene, bei der es darum geht, Autor*innen, die hier leben, aber nicht auf Deutsch schreiben und deswegen vom hiesigen Publikum kaum oder gar nicht wahrgenommen werden (während sie in anderen Sprachräumen mitunter längst literarische Stars sind), für das deutsche Publikum und die deutsche Literaturszene zu entdecken. Begleitet werden unsere monatlichen Präsentationen seit 2017 durch jährlich zwei thematische Symposien im LCB und diverse Veröffentlichungen, allen voran unser multilinguales Literatur-Webzine stadtsprachen.de… Natürlich spielen die Übersetzer*innen bei uns eine ganz entscheidende Rolle, deswegen werden sie bei uns gleichrangig mit den Autor*innen präsentiert. Allerdings zeigen sich manche Übersetzer*innen leider immer noch erstaunlich bühnenscheu, hier dürften sie durchaus mehr Selbstbewusstsein zeigen!
Und welches Thema steht als nächstes an?
Wir planen unser nächstes Parataxe-Symposium für den kommenden Herbst mit jüdischen und arabischen Autoren Berlins, die wir gemeinsam mit unseren Fachkuratoren Hila Amit und Mati Shemoelof zu einer „literarischen Middle East Union“ versammeln… Wenn unsere Arbeit konkrete Wirkung zeigt – wie nun für die Förderung hiesiger internationaler Übersetzer –, erfüllt sie also ihren Zweck. Insofern sehen wir die PARATAXE in Zeiten internationalisierter kultureller Wirklichkeiten als ein Modellprojekt im literarischen Hotspot Europas, das neue Stimmen, Stile und Wege unserer Gegenwartsliteratur entdeckt und erforscht.
Vielen Dank!
Die ungekürzte Fassung des Gesprächs mit Martin Jankowksi steht hier zum Download bereit.
Die Beiträge und Ergebnisse dieses „initialzündenden“ Ü-Berlin-Symposiums kann man über die Links auf der Veranstaltungsseite der Berliner Literarischen Aktion en detail nachhören bzw. nachlesen.
(31.7.2020)