CEATL: Bücher für die Politik
Der italienische Übersetzerverband Strade fordert einen Fonds zur Unterstützung von Übersetzungen
Von Claudia Steinitz
Die Älteren unter uns werden sich noch daran erinnern, wie eine Gruppe von VdÜ-Vertretern 2001 eine Wagen… nein, natürlich eine Bootsladung übersetzter Bücher vor dem Reichstag an den damaligen Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse übergeben hat. Damals wurde um die Novellierung des Urheberrechts gerungen, und wir wollten unsere Forderungen hörbar, sichtbar und vor allem lesbar machen.
Im Best-Practice-Forum des CEATL werden Ideen für Aktionen aller Art gesammelt und geteilt, und so ist es nicht überraschend, dass nun auch diese Idee Nachahmer fand. Am 15. Dezember 2020 übergab eine Delegation des italienischen Übersetzerverbands Strade vor dem Senatsgebäude in Rom über 70 übersetzte Bücher für ebenso viele italienische Politiker*innen. Zusammen mit den Büchern wurde ein offener Brief an Staatspräsident Mattarella und die Parlamentskammern übergeben, in dem die Einrichtung eines Fonds zur Übersetzerförderung – nach dem Vorbild des Deutschen Übersetzerfonds (DÜF) – gefordert wird. Auch mit dem DÜF ist Deutschland also leuchtendes Vorbild.
„Die Gesundheitskrise wirkt sich auf einen Berufsstand aus, der ohnehin schon ums Überleben kämpft“, erklärte Strade. „Wir danken dem Staat für seine Unterstützung während der COVID-19-Krise, aber es muss jetzt eine strukturelle Perspektive geben und Italien muss zu Europa aufholen. (…) Unser Beruf ist gefährdet, und ohne literarische Übersetzungen würden zahlreiche Werke, die nicht nur für unsere Kultur, sondern auch für die Gesellschaft als Ganzes von grundlegender Bedeutung sind, unbekannt bleiben und Italien würde kulturell verarmen. Die Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk nennt das Lesen ausländischer Werke einen Impfstoff gegen vorgefasste, irreführende Weltanschauungen.“
Die Situation der italienischen Literaturübersetzer*innen ist noch dramatischer als unsere in Deutschland, denn ihre Seitenhonorare und Beteiligungen sind viel geringer. Nur 44 Prozent aller Literaturübersetzer*innen arbeiten Vollzeit als solche (Deutschland: 66 Prozent), wie die jüngste CEATL-Umfrage ergab. Hoffen wir, dass die italienischen Parlamentarier*innen und Politiker*innen auf die Aktion unserer Kolleg*innen reagieren.
(22.2.2021, weitere Information beim CEATL)