Rede zur Verleihung der Übersetzerbarke 2012 an Burkhard Müller
Von Hinrich Schmidt-Henkel (verlesen von Luis Ruby)
Lieber Burkhard Müller, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Antje te Brake, meine Damen und Herren,
unser 1. Vorsitzender, Hinrich Schmidt-Henkel, der für die Barkenverleihung im Programm steht, kann den heutigen Termin leider unvorhersehbarerweise nicht wahrnehmen und hat mich gebeten, seine kleine Ansprache zu verlesen und die Barke, unsere Auszeichnung, zu übergeben, was ich sehr gern tue. Ich bin Luis Ruby, der 2. Vorsitzende unseres Verbandes. Hier also Hinrichs Worte:
Im Namen des Verbandes der Literaturübersetzer, des VdÜ, begrüße ich Sie zur diesjährigen Verleihung unserer Auszeichnung an Persönlichkeiten oder Institutionen, die sich in besonderer Weise um das Übersetzen oder die Literaturübersetzer verdient gemacht haben, zur Verleihung der Übersetzerbarke. Dieses Jahr hat die unabhängige Jury, bestehend aus unseren Kollegen Reinhard Kaiser, Eva Moldenhauer und Grete Osterwald, sie dem Literaturkritiker Burkhard Müller zuerkannt, worüber wir uns alle sehr freuen - aus guten Gründen freuen, auf die ich gleich zu sprechen kommen werde.
Wie immer nutzen wir die Gelegenheit der Barkenverleihung, um auf unsere Präsenz hier im „Weltempfang - Zentrum für Literatur, Politik und Übersetzung“ hinzuweisen. Wir Literaturübersetzer treten hier ebenso wie unser Schwesterverband, der Bund der Dolmetscher und Übersetzer BDÜ, mit Veranstaltungen und Informationsständen in Erscheinung. Ein großer Publikumsmagnet ist immer der „Gläserne Übersetzer“ - jenes Life-Schauspiel des Übersetzens, bei dem das staunende Publikum versuchen kann, einen konkreten Eindruck von dieser hochkomplexen Tätigkeit zu bekommen.
Herzlichen Dank auch dieses Jahr wieder den Frankfurter Kolleginnen, die für eine Dauerpräsenz an unserem Stand sorgen, ebenso an Annette Kopetzki und Ingo Herzke, die koordinierend für die Aktivitäten des VdÜ auf dem Weltempfang wirken, und an Antje te Brake, unsere bewährte Ansprechpartnerin auf Seiten der Buchmessengesellschaft! (Sie dürfen klatschen).
Burkhard Müller ist nicht nur Literaturkritiker in unseren großen, überregionalen Tageszeitungen, namentlich der Süddeutschen, er ist auch - in einem zivilen Dasein - Dozent für Latein an der Technischen Universität Chemnitz. Und ihm gebührt ein Ehrentitel, den es eigentlich nicht gibt, nämlich der des Übersetzungskritikers. Er gehört zu den wenigen, die bereit und befähigt sind, die Arbeit von uns Übersetzenden wahrzunehmen, zu beurteilen, zu kritisieren. Damit leistet er einen gar nicht hoch genug zu schätzenden Beitrag zum Genre der Literaturkritik. Vielfach wird ja beklagt, es gebe zu wenig kompetente kritische Betrachtung der übersetzten Literatur als Übersetzung, und noch im vorletzten Jahr musste eine Podiumsdiskussion zu diesem Thema hier im Zentrum Weltempfang mit dem resignierten Befund schließen, dass die allgemeine Literaturkritik das auch gar nicht leisten kann, da Übersetzungskritik immer Stilkritik sein müsse. Stilkritik aber braucht eine eigene Kompetenz, und sie braucht Raum auf der Zeitungsseite; zwei Erfordernisse, die dazu beitragen, dass es sie selten gibt.
Sie alle kennen unsere Minimalforderung an Literaturkritik, an Journalisten, Werber und Anzeigengestalter: Wird ein übersetztes Werk genannt, so soll der Übersetzer, die Übersetzerin dazu genannt sein, so dass doch wenigstens die Tatsache des Übersetzt-Seins nicht unterschlagen wird. Diese Minimalforderung ist lange nicht erfüllt, das vergessen wir nicht, auch nicht bei der Ehrung eines, der über derlei Minimales weit, weit erhaben ist.
Burkhard Müllers kritische Befragungen von Übersetzungen zeichnen sich durch enormes philologisches Wissen aus, durch eine rare Sensibilität gegenüber dem sprachlichen Kunstwerk und den feinen Nuancen der übersetzerischen Entscheidungen. Anders als die landläufige Erwähnung von Übersetzungen in der Literaturkritik, die im Positiven wie im Negativen fast immer etwas Seitenhieb-Artiges an sich hat, ist der heute zu Ehrende zu einer genauen, eingehenden Untersuchung befähigt, die, so heißt es in der Begründung der Jury, „auf der Grundlage seiner hohen Sensibilität für den Vorgang und die Problematik des Übersetzens regelmäßig in akribisch genaue, differenzierte und mitunter scharf pointierte Übersetzungskritik mündet.“
Burkhard Müller, der über den Sprachkritiker Karl Kraus promovierte, ist darüber hinaus auch ein Wortkünstler und seine Kritiken sind Kunststücke an stilistischer und gedanklicher Schönheit, einer Schönheit, die aus der Verbindung von klarem Blick und treffendem Wort entsteht, welche sich beide in den Dienst eines forschenden und respektvollen Denkens stellen.
Die Übersetzerbarke ist eine undotierte Auszeichnung; sie besteht jeweils in einem eigens geschaffenen Kunstwerk. Dieses Jahr stammt es von Martin Lechner, Berlin. Liebe Freundinnen und Freunde, dass Burkhard Müller seine Kompetenz, seine Neugier, seine Kunst und sein Können der Übersetzung als Literatur widmet, das ehrt uns. Wir revanchieren uns dankbar und ehren ihn mit der Übersetzerbarke 2012.