Dankrede anlässlich der Verleihung der Übersetzerbarke 2011
Von Beate Frauenschuh
Liebe Helga Pfetsch, liebe Übersetzerinnen und Übersetzer, Kollegen aus allen Bereichen der Bücher- und Medienwelt und liebe Freunde,
Als mich Helga Pfetsch Anfang Juli anrief, um mir mitzuteilen, dass mich die Literaturübersetzer für die Programmarbeit der letzten zwei Jahrzehnte ehren möchten, war ich erst ein wenig erschrocken, aber dann natürlich gleich glücklich und stolz.
Der kleine Schreck am Anfang war dem Ungewohnten geschuldet. Als Kulturveranstalterin präsentiert man andere: Autoren und Bücher oder Künstler und ihre Werke.
Da ist es eigenartig, wenn man nun plötzlich selbst im Mittelpunkt steht. Noch dazu in einer Reihe gestellt mit bekannten Verlegern und namhaften Kritikern. Da kommt schon etwas Lampenfieber auf.
Mir geht es heute also wie sonst den Literaturübersetzerinnen und Übersetzern, die über all die Jahre aus ihrer oft isolierten, stets aber hochkonzentrierten Arbeitssituation heraus in Heidelberg aufs Podium traten, um sich und ihre Arbeit einem Publikum zu präsentieren. Nun, heute haben sich die Übersetzerinnen und Übersetzer revanchiert und mich in diese ungewohnte Situation gebracht.
Ich sehe mich hier als Stellvertreterin für all jene, die in ihren Kultureinrichtungen internationale Literaturprogramme veranstalten und die dafür als enge Verbündete eben Sie brauchen, die Literaturübersetzerinnen und –übersetzer, ohne die weder diese Programme noch die internationale Literaturszene in ihrer Vielfalt denkbar wären.
Menschen wie ich arbeiten in Kulturämtern, Kulturzentren, Literaturhäusern, als Festival-macher, in Buchhandlungen und last but not least in Bibliotheken. Und so darf ich mich als erste Bibliothekarin einer kommunalen öffentlichen Bücherei über diesen Preis freuen.
Zwischen den Hamburger Öffentlichen Bücherhallen im Norden und dem Münchner Gasteig im Süden, gibt es viele kleine und große Stadtbibliotheken, die sich als Orte der Literatur und Kultur profilieren. Und sie können Partner für die Übersetzer sein.
Als wir 1990 in Heidelberg begannen, mit eigenen Veranstaltungen die Gastlandsauftritte der Frankfurter Buchmesse zu begleiten, da war es Victor Canicio, ein in Heidelberg lebender Spanisch-Übersetzer und Autor, der die Initiative ergriff. Er vernetzte die Stadtbücherei mit dem Romanischen Seminar der Universität Heidelberg. Eine der Allianzen neben dem VdÜ, von denen wir all die Jahre profitierten – zuletzt 2010 bei unseren Veranstaltungen zum Buchmessen-Gastland Argentinien.
Und wir hatten natürlich das Glück, im Großraum Heidelberg-Mannheim ein wahres Übersetzernest zu entdecken. Überall Übersetzerinnen und Übersetzer. Unglaublich.
Liegt es an den Universitäten und Ausbildungsstätten? Oder auch an dem freundlich-kommunikativen Klima, das unserer Region Rhein-Neckar ja nicht ganz zu Unrecht nachgesagt wird. Viele Vertreterinnen und Vertreter der Zunft sind in diesem Raum zuhause und die meisten von Ihnen praktischerweise gut vernetzt und engagiert.
…Wobei wir immer wieder neue Spezialisten für andere Sprachen hinzu entdecken.
VdÜ und Stadtbücherei Heidelberg haben vor 17 Jahren gemeinsam diese Chance ergriffen. Zum einen mit Veranstaltungsreihen und Werkschauen. Zum anderen mit den Literaturübersetzern als „Hauptdarstellern“ auf dem Podium. Als Vermittler und Moderatoren der zweisprachigen Literaturveranstaltungen haben sie mit uns ein kontinuierliches Forum für das literarische Übersetzen geschaffen.
Um solche Projekte zu stemmen, braucht es viele Mitstreiter:
In erster Linie natürlich die Übersetzer selbst. Vornehmlich die im VdÜ engagierten.
Sie bestücken die Werkschauen – also unsere bio-bibliografisch präsentierten Buchausstellungen - und machen obendrein mit spannenden und humorvollen Sprachperformances unseren Ausstellungseröffnungen zu Ereignissen. Nicht von ungefähr sind diese Vernissagen immer so etwas wie ein fröhliches Berufsfamilientreffen oder auch Erntefeste für die Übersetzungsfrüchte von jeweils zwei bis drei Jahren.
Für diese von Professionalität ebenso wie von großer Sympathie und Wertschätzung getragene Zusammenarbeit vieler Jahre möchte ich mich – namentlich und stellvertretend für alle aktiven Mitglieder der Regionalgruppe – bei Helga Pfetsch, Theresia Übelhör und Holger Fock bedanken.
Wir planen natürlich schon weiter: 2012 wird es die nächste Werkschau „Übersetzen im Dreieck“ geben. Und wenn im Stuttgarter Wissenschafts- und Kunstministerium sowie bei der Stadt Heidelberg alles nach Plan läuft, dann werden wir 2013 die Baden-Württembergischen Übersetzertage gemeinsam mit Kulturverwaltung, Universität und Ihren Berufsverbänden in Heidelberg ausrichten.
Und da ist dann auch innerhalb der Stadtbücherei Heidelberg einmal mehr unser kleines, starkes Team gefragt, ohne dessen Hilfe ich heute nicht hier stehen würde. Deshalb gilt mein Dankeschön meinen Kolleginnen Hedda Schankin und Heike Cordes, die heute mit mir zu dieser Preisverleihung gekommen sind.
Dank gebührt auch unseren drei Büchereidirektorinnen der letzten 20 Jahre. Dafür, dass wir gemeinsam in der Stadtbücherei Heidelberg dieses Forum für Übersetzerinnen und Übersetzer haben etablieren können. Inzwischen auch mit Unterstützung durch die Zukunftsinitiative Metropolregion Rhein-Neckar und den Rhein-Neckar-Kreis.
Sie hören Rhein und Neckar – denken an Schiffe und Boote und hier und heute natürlich an die „Übersetzer-Barke“. Nun denn: Die Barke ist noch immer ein bewegliches, grundsolides und belastbares Transportmittel. Sie zeichnet sich aus durch sorgfältigen und sicheren Transport wertvoller Fracht. Eine Barke ist zwar relativ klein, aber gerade deshalb bestens geeignet, geschickt alle Tiefen und Untiefen zu umschiffen und mit Strömungen und Gegenströmungen klar zu kommen.
Wohl nicht nur für mich ist die Barke also ein ideales Transportmittel für die Literaturen der Welt auf dem breiten Strom der Wörter vieler Sprachen.
Und weil ich dieses Bild einer Übersetzer-Barke weniger mit Containerschiffen auf dem Rhein oder Touristendampfern entlang des Neckars verbinde, sondern eher mit exotischeren Gewässern, dem Nil oder dem Mekong – so habe ich mir eine Fotoarbeit des Heidelberger Künstlers Thomas Petri gewünscht, die inmitten serieller digitaler Verfremdungen eine Barke auf dem Mekong in Laos zeigt – einem meiner ganz persönlichen Sehnsuchtsorte in der Welt.
Danke, dass ich mir dieses Kunstwerk wünschen durfte und ganz herzlichen Dank dem VdÜ für die große Anerkennung, für diesen wunderbaren Ehrenpreis der „Übersetzerbarke“, die ich als Ansporn für die nächsten Veranstaltungsjahre mit nach Heidelberg nehmen werde.
Frankfurter Buchmesse, 12. Oktober 2011