Reform des Urhebervertragsrechts: Dreistes Manöver des Börsenvereins

Laut einer dpa-Meldung vom 17.01.2002 behauptet der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Übersetzer hätten für ihre Leistung bislang „ein Grundhonorar und eine an den Verkaufszahlen angelehnte Erfolgsprämie bekommen.“ Dies entspricht nicht den Tatsachen. Die wenigsten Übersetzungsverträge sehen eine Beteiligung am Verkaufserfolg vor. Eine Beteiligung am einträglichen Handel mit Nebenrechtslizenzen (Taschenbuchausgaben, Hörbücher, Online-Verwertung etc.) wird von den meisten Verlagen rundweg abgelehnt. Übersetzer werden regelmäßig gezwungen, den Verlagen sämtliche Nutzungsrechte einzuräumen, ohne etwas von den Verwertungserlösen zu bekommen. Beteiligungen müssen von Übersetzern erst vor Gericht erstritten werden. Zurzeit klagen Übersetzer u.a. gegen die Verlage Piper, Droemer-Knaur und Ehapa.

„Ein so dreistes wie durchsichtiges Manöver des Börsenvereins“ nannte Thomas Brovot, zweiter Vorsitzender des Verbands deutschsprachiger Übersetzer, diese Täuschung der Öffentlichkeit heute in Berlin. „Wider besseres Wissen versucht der Börsenverein den Eindruck zu erwecken, es stehe alles zum Besten und die Reform sei überflüssig. Jeder in der Branche weiß, dass Übersetzer zu Honoraren arbeiten, für die ihre Verlage kein Reinigungspersonal finden würden. Verträge werden nach Gutsherrenart diktiert, Empfehlungen des eigenen Verbands werden von großen wie kleinen Verlagen einvernehmlich ignoriert, und wenn ein Übersetzer es wagt, ein Gericht anzurufen, bekommt er nie wieder einen Auftrag. Im Übrigen haben sich die Bedingungen für Übersetzer seit Beginn der Diskussion um das Urhebervertragsrecht noch gravierend verschärft.“

Trotz vieler Kompromisse zu Lasten der Urheber bekämpft der Börsenverein auch die jüngsten Vorschläge des Justizministeriums. „Angesichts des falschen Wehgeschreis, das da aus dem Lobbytheater tönt, der scheinheiligen Posen und offenen Drohungen dürfte jedem klar sein, dass mit einer Zustimmung des Börsenvereins zu einem Gesetz, das an dem rechtlosen Zustand der Urheber etwas ändert, niemals zu rechnen sein wird“, meinte Thomas Brovot. „So wie es kein Mieterschutzgesetz gäbe, würde es von der Zustimmung eines Haus- und Grundbesitzervereins abhängig gemacht, wird es auch kein tragfähiges Urhebervertragsrecht mit der Zustimmung des Börsenvereins geben.“ In zahlreichen Briefen appellierten Übersetzer in den letzten Tagen an die Regierung, sich durch die Verhinderungskampagne der Verwerter nicht beirren zu lassen und dafür Sorge zu tragen, dass das notwendige und überfällige Gesetz endlich verabschiedet werden kann.

 

Gabriele Gockel, Thomas Wollermann  
Pressestelle VdÜ/Bundessparte Übersetzer