Wolfgang Schimmel bei der MV 2006 (Foto: Thomas Wollermann)

Wolfgang Schimmel ist am 17.10.2025 im Alter von 77 Jahren plötzlich und unerwartet einem Herzversagen erlegen.

Wolfgang Schimmel studierte im Rahmen seines Jurastudiums unter anderem Rechtsinformatik und war Assistent bei Prof. Dr. Wilhelm Steinmüller, einem Pionier des deutschen Datenschutzes. (Ich erinnere mich dankbar an die blitzschnellen Berechnungen, mit denen uns Wolfgang Schimmel bei den Verhandlungen um eine angemessene Vergütung unterstützte, vielleicht ein Erbe aus dieser Zeit?)

Als das Urhebervertragsrecht verabschiedet wurde: Wolfgang Schimmel mit
Detlef Hensche und Herta Däubler-Gmelin (Foto: Thomas Wollermann)

Ab 1983 arbeitete er dann „bei der Gewerkschaft“, als Rechtssekretär beim Hauptvorstand der IG Druck und Papier, von Beginn an damit auch für den VS und die damals diesem zugehörige Übersetzersparte, später bei der IG Medien und schließlich bei ver.di. Urheber-, Presse- und Medienrecht – er war hochgeachteter Experte für das Urheber- und Verlagsrecht und aktiv an dessen Entwicklung und Reformen beteiligt – waren ihm vor allem auch wichtig, um die soziale Lage der Urheber zu verbessern. Für ihn war das Urhebervertragsrecht das Arbeitsrecht der Kreativen.

Alle Übersetzerkolleg:innen, die ich nach ihren Erinnerungen fragte, antworteten als erstes, dass Wolfgang Schimmel freundlich, stets hilfsbereit und ungemein zugewandt war, sodass man keine Hemmungen hatte, ihn etwas zu fragen, auch auf den MVs, wenn er zu einer oder mehreren rechtlichen Fragen referierte (s. Foto bei der MV 2006), die ja immer auch materielle und für uns manchmal existentielle waren.

Auch bei Gegenwind unterwegs für Übersetzer:innen-Interessen: Wolfgang
Schimmel und Helga Pfetsch (Foto: Thomas Wollermann)

Auch allen Vorständen in seiner Zeit war er wichtiger Berater – auffällig dabei war, dass er klug Probleme identifizierte und Handlungsmöglichkeiten aufzeigte, einem aber nie konkret sagte, was man tun sollte. „Das müsst ihr entscheiden“, lautete ein oft gehörter Satz.

Wobei er Freude an Aktionen und unkonventionellen Wegen hatte, etwa als er der Übersetzersparte die Idee unterbreitete, mittels einer „Mittelstandsvereinigung“ Honorarempfehlungen zu ermöglichen, und immer, wenn wir uns zu gemeinsamem Handeln entschlossen (Ältere als ich erinnern sich an den „Rowohlt-Brief“ für eine Auflagenbeteiligung; ich an die Bootsaktion im Vorfeld der Verabschiedung des Urhebervertragsrechts 2001, als wir allen Bundestagsabgeordneten signierte Bücher überreichten, inkl. der Aufstellung, was wir mit der jeweiligen Übersetzung in welcher Zeit verdient hatten; an die Imbisstüten „Nicht für ‘nen Apfel und ein Ei“ bei der Leipziger Buchmesse wenige Jahre später, als die Verhandlungen um eine angemessene Vergütung immer noch stockten etc.).

Was steht da – und wem nutzt es? Heinrich Bleicher-Nagelsmann und
Wolfgang Schimmel (Foto: Thomas Wollermann)

Unsere Interessen vertrat Wolfgang Schimmel nicht nur bei Verhandlungen mit der Verlegerseite, wenn es um Normverträge oder angemessene Vergütungen ging, sondern auch im Beirat und Widerspruchsausschuss der Künstlersozialkasse, und seit über 20 Jahren bis zuletzt – noch 3 Tage vor seinem Tod saß ich mit ihm zusammen in einer Online-Konferenz der VG WORT – als ehrenamtlicher juristischer Berater der Berufsgruppe 1 (belletristische Urheber:innen) in der VG WORT.

Er fehlt.

Nachruf von Gerlinde Schermer-Rauwolf

 

Bei Wolfgang Schimmel drängte sich das Bild des Urgesteins geradezu auf. Für die allermeisten von uns gilt: Als wir angefangen haben, war er schon da, seinerzeit noch als Gewerkschaftssekretär bei der IG Medien in Stuttgart und zugleich Rechtsberater des VS und damit der Mitglieder des VdÜ in dessen Doppelexistenz als eingetragener Verein und Gewerkschaftsgliederung. Stets zugänglich, stets mit klugem Rat zur Stelle und ungeheuer informiert und erfahren war Wolfgang und vermittelte auch Neulingen, dass er sie unbedingt ernst nahm.

Seine Ruhe und Gelassenheit waren ansteckend, er war geerdet und vollkommen klar in seinem Erfassen und Analysieren von urheberrechtlichen Zusammenhängen. Überall, in unseren Kreisen, bei der Initiative Urheberrecht, der KSK oder der VG Wort, genoss Wolfgang Schimmel ein über Respekt hinausgehendes Ansehen, dem durchaus stille Zuneigung beigemischt war.

Wehe, ihm kam jemand dumm oder überheblich, wehe, jemand versuchte, ihm oder Vertreterinnen unserer Zunft in seiner Anwesenheit gegenüber genüsslich den längeren Hebel der Machtposition auszuspielen. Manche Funktionäre des Börsenvereins oder Konzern-CEOs kamen dann in den Genuss eines Donnerwetters, das sich gewaschen hatte - aber auch das nicht unsachlich, sondern der Donner speiste sich aus seinem unbedingten Beharren auf den Rechten, unseren Rechten, die er leidenschaftlich verteidigte. Er war ein unverbrüchlicher Mitstreiter, konnte aber auch ein leidenschaftlicher Gegner sein.

Als Ratgeber und Mitverhandler bei den langen und mehrfachen Vergütungsverhandlungen des VdÜ (die 2008 zu einem von den Mitgliedern abgelehnten Ergebnis führten, was ihn persönlich sehr traf, und 2014 zur Aufstellung von Gemeinsamen Vergütungsregeln mit allerdings einer deutlich geringeren Anzahl von Verlagen) war er einer der Hauptakteure: In den vorbereitenden und nachbereitenden Sitzungen von allergrößter Klarheit, bei den Verhandlungen von staatsmännischer Ruhe und ebenso gelassenem wie effektivem Eingreifen, wenn die Situation es gebot. Und beim abendlichen Wein danach ein wunderbarer Gesprächspartner, ein Genussmensch.

Es war für uns ein bisschen unvorstellbar, als er wegen Erreichens der Altersgrenze seine hauptberufliche Funktion beendete. Wir fühlten uns regelrecht verwaist, konnten ihn aber dazu gewinnen, dass er weiter an unseren Vergütungsverhandlungen mitwirkte. Wolfgang wurde mit der Ehrengabe des VdÜ e.V. und ausgiebigen Buchgeschenken in den Ruhestand verabschiedet, der alles andere als ein Rentnerdasein werden sollte. Bis zu seinem so jähen Tod war er für unsere Belange ungeheuer aktiv.

Nachruf von Hinrich Schmidt-Henkel

(Aktualisiert 3.11.2025)