Ein Nachruf von Anne Sorg-Schumacher und Willi Zurbrüggen


Unser Freund und Kollege Víctor Canicio Chimeno (geb. 5.11.1937) – Schriftsteller, Journalist, Lehrer, Übersetzer – ist am 16.02.2019 in Sant Carles de la Ràpita gestorben. Dort hat er gelebt und bis zuletzt gearbeitet, stets im Geist dieses einen seiner vielen herrlichen Kurzgedichte:

Uno escribe Man schreibt
palabras porque sabe Wörter, weil man weiß,
que se alegran mucho wie sehr es sie freut,
de verse luego impresas sich später gedruckt zu sehen.


Er war der stete Pendler zwischen zwei Ländern, zwischen zwei Kulturen: seinem Heimatland Spanien und seiner Wahlheimat Deutschland – beharrlicher Einzelgänger im literarischen Kreis. Als Autor und Dolmetscher war Víctor Canicio in vielen Medien zu Hause: im Radio, im Fernsehen, in der Belletristik; als Übersetzer ins Spanische übertrug er Wilhelm Buschs Max und Moritz und den Struwwelpeter. Leise und ernste Töne, Zwischentöne, wie im Erzählwerk von Heinrich Böll, Peter Härtling und Peter Handke, übertrug Víctor Canicio ebenfalls ins Spanische und führte diese Autoren in seine Heimat ein. Er tat das in einer Zeit, als der Kulturaustausch auf dem Gebiet der Literatur keine Selbstverständlichkeit, keine gegenseitige Verpflichtung und Wertschätzung war. Er, der Kenner beider Kulturen, will die Vielfalt des jeweiligen Landes jenseits aller Topoi zeigen. Als der argentinische Schriftsteller Jorge Luís Borges nach Deutschland kam und Ernst Jünger besuchte, begleitete ihn Víctor Canicio als Dolmetscher. Borges und Canicio, Fassbinder und Canicio, revoltierende Studenten und Canicio. Illuster seine Zirkel, ob literarischer, politischer und auch kulinarischer Art. Die drei waren unabdingbar für ihn. Er bereicherte sie mit seinem sprühenden Geist und zündenden Witz.

Als Schriftsteller haben seine ersten Bücher die Emigration der Spanier nach Europa in den sechziger Jahren zum Thema („El españolito bueno“). Weitere Bücher sind dem Genre der novela itinerante (Reiseliteratur) gewidmet. Ihre Protagonisten sind unterwegs, immer in Bewegung, mental, stets gut zu Fuß. Eine Vielzahl humorvoller, sprachlich eleganter Vignetten folgen, 500 Seiten braucht er für seine 2015 veröffentlichten memorias: CON QUIEN PACES (editorial Montflorit).

Jetzt ist seine Feder trocken, seine Zunge stumm geworden.
Viele sind es, die um Víctor Canicio trauern.