VdÜ: Offener Brief zur Honorarsituation der Manga- und Light-Novel-Übersetzenden im deutschsprachigen Raum
Update vom 14.11.2024
Nachdem am 9. Oktober der Offene Brief zur Honorarsituation der Manga- und Light-Novel-Übersetzenden im deutschsprachigen Raum [siehe unten] verschickt wurde, haben bereits über 1.800 Unterstützer*innen die zugehörige Petition unterzeichnet. Auf der Frankfurter Buchmesse verteilten die Manga-Übersetzenden Info-Flyer unter anderem in den Hallen 4.1 und 3.0, auf dem Agora-Platz und an der New Adults Bühne. Das Publikum war sehr aufgeschlossen und zeigte sich interessiert. Exemplare des Flyers können angefordert werden unter .
Mittlerweile steht dank einer Unterzeichnerin des Offenen Briefs, Anja Truong, auch ein japanischsprachiger Bericht über die Aktion zur Verfügung, der allein auf X (Twitter) bereits 190.000 Aufrufe hat (Stand 05.11.). Außerdem erreichten den VdÜ Solidaritätsbekundungen aus anderen europäischen Staaten.
Der VdÜ in ver.di freut sich sehr, dass bereits mehrere deutsche Manga-Verlage Gesprächsbereitschaft signalisiert haben! Wir müssen den Verhandlungs-Enthusiasmus von Verlagsseite sogar etwas bremsen, da wir im VdÜ organisierten Manga-Übersetzenden natürlich Kollektivverhandlungen anstreben. Wir werden auf Sie zukommen, liebe Manga-Verlage, sobald sich eine Verhandlungskommission gegründet hat (die zum Großteil aus Ehrenamtlichen zusammengesetzt sein wird, das liegt in der Natur der Sache). Wir freuen uns schon außerordentlich auf die Gespräche!
Alle weiteren Manga-Verlage, die sich noch nicht gemeldet haben, sind natürlich eingeladen, dies zu tun! Melden Sie sich unter . Ein Zweizeiler reicht aus. Uns ist bewusst, dass inmitten des Tagesgeschäfts nicht viel Zeit für ausgefeilte Worte bleibt.
(ergänzt am 16.11.2024)
(Hier geht es zur Langversion des Briefs als PDF sowie zur Petition.)
Liebe Manga-Verlage,
Tag für Tag bauen wir Übersetzenden Brücken zwischen Kulturen, doch unser eigenes Fundament bröckelt – und zwar gewaltig: Laut einer internen Umfrage können sich 57 Prozent der Befragten nicht vorstellen, langfristig unter den aktuellen Bedingungen weiterzuarbeiten.
Manga boomen wie nie zuvor. Allein in den letzten vier Jahren ist der Markt beinahe um das Dreifache gewachsen. Die wirtschaftlichen Erfolge der Verlage spiegeln sich jedoch nicht in den Honoraren von uns Übersetzenden wider, obwohl ohne uns kein einziger Titel in deutscher Sprache erscheinen könnte. Während sich Manga und Light Novels im deutschsprachigen Raum immer besser verkaufen, verdienen wir Übersetzenden pro Band mit jedem Jahr effektiv weniger. Unser Honorar fällt inflationsbereinigt bei einigen Verlagen sogar bis zu 30 Prozent niedriger aus als noch vor zehn Jahren.
Diese Entwicklung schadet unserer körperlichen und vor allem mentalen Gesundheit, gefährdet unsere Existenz und hindert uns daran, die Zeit und die Hingabe aufzubringen, die die Texte verdienen. Damit einher gehen Überarbeitung, Burnout und/oder ein Leben am Existenzminimum sowie ein hohes Risiko, in Altersarmut zu fallen. Die marktüblichen Honorarsätze sind für Freiberufliche wirtschaftlich nicht tragbar und reichen nicht zum Leben. Trotz wiederholter Gesprächsgesuche zeigt der größte Teil der Verlage keinerlei Verhandlungsbereitschaft. Das empfinden wir als Ausdruck mangelnder Wertschätzung. Erfahrungsgemäß drohen uns bei Forderungen nach Honoraranpassungen, selbst nach langjähriger professioneller Übersetzungsleistung, der Verlust des Auftrags und in manchen Fällen sogar der vollständige Abbruch der Geschäftsbeziehung. Dass ausgerechnet Manga- und Light-Novel-Verlage dabei die Komplexität ihrer eigenen Produkte argumentativ bagatellisieren, entbehrt nicht einer gewissen Ironie.
Die Geschäftspolitik der Verlage und die schlechten Arbeitsbedingungen für uns Übersetzende schaden nicht zuletzt auch den Endprodukten im Regal: den Manga und den Light Novels, für die Fans mit ihrem Geld bezahlen. Das muss sich ändern!
Daher fordern wir eine Erhöhung der Grundhonorare und die Abrechnung nach Normseiten gemäß dem Vertrag zwischen VdÜ und Börsenverein, einen regelmäßigen Inflationsausgleich sowie eine Staffelung der Honorare bei langjähriger Zusammenarbeit. Bei unverhältnismäßigem Mehraufwand müssen darüber hinaus Raum zur Nachverhandlung und/oder Recherchepauschalen bzw. Eilzuschläge gewährt werden. Aufgaben wie die Beschaffung und die Vorbereitung der Originaltexte (Einscannen, Nummerieren der Sprechblasen), die Glossarführung etc. dürfen nicht unbezahlt von uns angefordert werden, und wir verlangen faire Tantiemenregelungen mit einer Beteiligung ab dem ersten verkauften Exemplar ohne Verrechnung mit dem Basishonorar (in Anlehnung an die Gemeinsame Vergütungsregel des VdÜ; vgl. BGH-Urteile von 2009 und 2011).
Wir sind uns bewusst, dass die obigen Forderungen nicht von heute auf morgen umsetzbar sind. Wir sehen auch die Bestrebungen einzelner Verlage, bessere Bedingungen für Übersetzende zu schaffen, und wissen diese zu schätzen. Dennoch: Kaum ein deutschsprachiger Manga- oder Light-Novel-Verlag zahlt aktuell faire und unserer Leistung entsprechende Honorare. Verlage müssen wirtschaftlich handeln, um zu überleben. Dasselbe gilt auch für uns.
Die jetzige Situation ist weder tragbar noch nachhaltig. Wir laden die Verlage ein, mit uns in den Dialog zu treten, damit wir die deutschsprachige Leserschaft auch in Zukunft mit vielen fantastischen Manga und Light Novels versorgen können.
Kontaktanfragen nehmen wir gerne über die Pressestelle des VdÜ entgegen:
Unterzeichnet von den Manga- und Light-Novel-Übersetzenden:
Alexandra Klepper
Aminata Estelle Diouf
Anja Truong
Anna Herr
Anne Klink
Antje Bockel
Benjamin Leimser
Benjamin Rusch
Bernd Sambale
Carina Dallmeier
Cheyenne Dreißigacker
Christina Rinnerthaler
Claudia Peter
Constanze Thede
Diana Hesse
Doreaux Zwetkow
Dorothea Überall
Ekaterina Mikulich
Elena Müller
Etsuko Tabuchi
Eva Bischof
Florian Weitschies
Franziska Riedel
Gandalf Bartholomäus
Gregor Wakounig
Gyo Araiwa
Hana Rude
Isabelle Mathes
Jan Lukas Kuhn
Jan-Christoph Müller
Janett Blesch
Jannik Eimen
John Schmitt-Weigand
Julia Gstöttner
Kaito Kaiba
Katarina Rinas
Katrin Stamm
Laura Kaiser
Larissa Bamberger
Luise Renner
Luise Steggewentz
Madlen Beret
Manuel Chillagano
Marcus Wehner
Mareen Sickel
Martin Bachernegg
Martin Gericke
Michael Ebersberger
Mikazuki Luna
Miryll Ihrens
Monika Hammond
Nadja Stutterheim
Nana Umino
Nicole Linnemann
Ninako Takeuchi
Nora Bartels
Nora Bierich
Ok-Hee Jeong
Rahel Niedermann
Ruben Grest
Sarah Ozolnieks
Sascha Berkel
Tabea Kamada
Thilo Waßmer
Tina Bischof
Tony Toshimitsu Tran
Verena Maser
Victoria Zach
Unterstützer*innen aus verwandten Branchen:
Alex Roston
Bettina Spallek
Brigitte Deisenhammer
Caroline Reiss
Christoph Zeller
Dominik Reichelt
Florian Niggemeier
Florian Werner
Isabelle Mach
Jenny Willet
Belegliste:
An der internen Umfrage hat ca. ein Viertel der derzeit aktiven Manga-Übersetzenden teilgenommen (Stand 2024).
- https://www.tagesspiegel.de/kultur/comics/wie-der-manga-boom-den-buchmarkt-belebt-wirtschaftlich-ist-das-noch-lange-nicht-ausgereizt-9515684.html
- https://literaturuebersetzer.de/berufspraktisches/rechtliches/normseite/
- https://literaturuebersetzer.de/berufspraktisches/rechtliches/bgh-urteile/
- https://literaturuebersetzer.de/berufspraktisches/rechtliches/gemeinsame-verguetungsregel-gvr/
Hier geht es zur Berichterstattung des MDR.
Vertiefend zum Thema: Stimmen und Interviews
(aktualisiert am 10.12.2024)