Straelener Übersetzerpreis: Hans-Christian Oeser ausgezeichnet
Der Straelener Übersetzerpreis 2020 der Kunststiftung NRW geht an Hans-Christian Oeser für seine meisterhafte Übersetzung von Sebastian Barrys Roman Tage ohne Ende aus dem Englischen. Der Preis würdigt zugleich Oesers übersetzerisches Lebenswerk, zu dem unter anderem Übersetzungen von Autorinnen und Autoren wie Maeve Brennan, Christopher Isherwood und Mark Twain gehören.
Hans-Christian Oeser, der sich bei Fazit im Deutschlandfunk Kultur als „Wortwörtlichkeits-Fanatiker“ bezeichnet, lebt als Herausgeber und Literaturübersetzer in Dublin und Berlin. Seit Anfang der Achtzigerjahre übersetzt er aus dem Englischen ins Deutsche und veröffentlichte insgesamt mehr als 200 Buchtitel: 1997 erhielt er den Europäischen Übersetzerpreis Prix Aristeion, 2010 den Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Preis, 2014 den Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis. Hans-Christian Oeser ist VdÜ-Mitglied und beteiligte sich als Referent zum Thema „‚Jede Übersetzung ist ein Geheimnis.‘ Zum ontologischen Status der Literaturübersetzung“ am Wolfenbütteler Gespräch 2019, der Jahrestagung des Übersetzerverbands.
In Barrys Tage ohne Ende erleben der Erzähler Thomas McNulty, ein irischer Einwanderer, und sein Freund und Partner John Cole als Soldaten im amerikanischen Bürgerkrieg und in den Indianerkriegen exzessive Grausamkeit und existenzielle Verlorenheit. Für diese brutal-poetische Ich-Aussprache, gehalten in einem scheinbar mündlichen Kunstidiom, findet Hans-Christian Oeser in seiner Übersetzung einen dynamischen Stil von großer Musikalität, oszillierend zwischen sarkastischer Lakonie, treffender Härte und zartester Lyrik, der immer wieder Menschlichkeit aufscheinen lässt.
Der Förderpreis zum Straelener Übersetzerpreis 2020 der Kunststiftung NRW geht an André Hansen für seine Übersetzung des Romans Zwei Brüder von Mahir Guven aus dem Französischen. Die Jury überzeugte vor allem seine mutige und einfallsreiche Übertragung umgangssprachlicher Register.
Der Kunst des Übersetzens widmet die Kunststiftung NRW seit Jahren besondere Aufmerksamkeit. Die Überzeugung, dass nur gelungene Übersetzungen literarischer Texte die Begegnung mit Weltliteratur, die Einfühlung in das Fremde und einen internationalen Kulturtransfer ermöglichen, hat die Stiftung im Jahr 2001 bewogen, in Kooperation mit dem Europäischen Übersetzer-Kollegium in Straelen den mit 25.000 Euro dotierten Straelener Übersetzerpreis ins Leben zu rufen. Er zeichnet neben herausragenden Literaturübersetzungen zugleich das Lebenswerk der Übersetzerin oder des Übersetzers aus und gehört zu den höchstdotierten Literaturpreisen im deutschsprachigen Raum.
(6.4.2020)