Kunst + Kultur: EU-Recht und kollektives Verhandeln
Veronika Mirschel und Lisa Basten über die Interpretationsspielräumen beim Übersetzen im Europa, und die Aussicht auf Tarifverhandlungen für Solo-Selbstständige
„Die Bildung von Kartellen ist verboten. … Aber soll dieses Verbot auch bei Vergütungsregelungen für Solo-Selbstständige greifen? Bisher ist das so“, schreiben Veronika Mirschel und Lisa Basten in der Gewerkschaftszeitschrift kunst+kultur hin.
Interessanterweise betonen die Autorinnen an zentraler Stelle die Interpretationsspielräume in Übersetzungen: Solo-Selbstständige, die also selbst keine Arbeitskräfte beschäftigen, fielen EU-rechtlich unter den Begriff worker. Dieses Wort werde allerdings meist pauschal mit „Arbeitnehmer“ ins Deutsche übersetzt, während „Erwerbstätige“ hier der passendere Begriff sei.
Seitens der EU-Kommission heißt es nun, man erwäge „Kollektivverhandlungen zur Verbesserung ihrer prekären Situation“ rechtlich vorzusehen. Eine solche Problemlage erkannte das Bundesverfassungsgericht bereits 2013 „dort, wo freiberuflichen Urhebern, etwa literarischen Übersetzern, strukturell überlegene Verwerter gegenüber stünden.“
Ob die Initiative der Kommission wirklich allen Solo-Selbstständigen zugute kommt, steht in den Sternen. Bis Ende 2021 soll ein mehrstufiger Dialog abgeschlossen sein, in dem ver.di und der europäische Gewerkschaftsbund EGB folgende Schwerpunkte setzen, wie Mirschel und Basten schreiben:
Erstens: Kollektive Verhandlungen mit Auftraggebern müssen ausnahmslos für alle Solo-Selbstständigen legalisiert werden. Zweitens: Wenn solche Verhandlungen nicht zustande kommen, müssen auch einseitige Honorarempfehlungen der Gewerkschaften legalisiert werden. Drittens: Die konkrete Ausgestaltung von Kollektivverhandlungen und -verträgen darf nicht von der EU vorgegeben werden, sondern muss nationale Besonderheiten, Branchen- und Berufsspezifika beachten.
Die Leiterin des ver.di-Referats Selbstständige (Mirschel) und die Gewerkschafterin der Fachgruppe Bildende Kunst (Basten) fassen zusammen:
„Der aktuelle Dialog (…) bietet die Chance, das Wettbewerbsrecht so zu gestalten, dass auch Solo-Selbstständige und ihre Gewerkschaften rechtssicher kollektiv verhandeln können. (…) Weder Honorarverhandlungen noch Honorarempfehlungen, die durch die gleichen Ziele gerechtfertigt sind, die auch Tarifverträgen und Tarifbewegungen verfolgen, stellen schließlich eine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Wettbewerbsbeschränkung dar. Sie sind im Gegenteil nützlich für den Binnenmarkt, weil sie helfen, Dumping einzudämmen.“
„In Bewegung: EU-Recht und kollektives Verhandeln“, der Artikel von Veronika Mirschel und Lisa Basten steht bei kunst+kultur in voller Länge online.
(25.6.2021; Foto von Nicolaus Herrmann)