Am 15. Januar dieses Jahres war Volha Kalackaja (Вольга Калацкая), Literaturübersetzerin aus Belarus, in ihrer Wohnung in Minsk festgenommen worden, seither saß sie in Untersuchungshaft. (Wir hatten berichtet.) Am 23. März wurde ihr nun der Prozess gemacht. Weil sie Ryhor Azaronak, Journalist eines staatlichen Minsker Fernsehsenders, im Umfeld einer Gedenkveranstaltung nach dem Tod von Raman Bandarenka geohrfeigt hat, wurde sie am 24. März nach Paragraph 339.1 und 2 des Strafgesetzbuches der Republik Belarus wegen „schweren Rowdytums“ zu zwei Jahren Freiheitsentzug im Heimvollzug verurteilt.

Azaronak, der ebenfalls bei der Verhandlung anwesend war, hatte darum gebeten, Kalackaja nicht zu belangen und blieb bei dieser Haltung. Er verlange kein Schmerzensgeld und erwarte auch keine Entschuldigung. Kalackaja räumte ein, sie sei tief bestürzt über den Tod Bandarenkas gewesen, und das Auftreten des Azaronaks, der den Teilnehmenden der Gedenkveranstaltung unterstellte, ihre Anteilnahme sei nur geheuchelt, habe sie emotional derartig aufgewühlt, dass sie sich zu der Ohrfeige habe hinreißen lassen. Azaronak nahm ihre Bitte um Entschuldigung an. Trotzdem wollte die Staatsanwältin das Verfahren nicht einstellen.

Kalackaja bedankte sich bei allen, die in den vergangenen Monaten ihre pflegebedürftige 90-jährige Mutter versorgt hatten, zu der sie nun unter Auflagen zurückkehren kann. In ihrem Schlusswort verlas sie ein Gedicht aus Margaret Atwoods Novelle The Penelopiad, die sie 2018 mit Maria Martysevich ins Belarussische übertragen hat:

we had no voice
we had no name
we had no choice
we had one face
one face the same
we took the blame
it was not fair
but now we’re here
we’re all here too
the same as you
and now we follow
you, we find you
now, we call
to you to you
too wit too woo
too wit too woo
too woo

(Auf Deutsch erschien Die Penelopiade 2005 in der Übersetzung von Malte Friedrich.)

Hier ein Bericht des Belarussischen PEN-Zentrums in englischer Sprache.

(29.3.2021)