Martin Peterich; © Fritz Senn; V.l.n.r.: Helmut Scheffel, Werner Peterich, Elmar Tophoven

Am 17. August 2023 ist unser Kollege Werner Peterich 94-jährig verstorben. Er zählte zu der Handvoll Pioniere, die 1954 den VdÜ e.V. gründeten. In unserer Zeitschrift schilderte er 2004, wie das Übersetzen zu seinem ausschließlichen Beruf wurde. Dieser Text ist nicht nur ein Selbstzeugnis, sondern auch ein Zeitzeugnis, das sein Andenken ehrt:

„Ich übersetze seit 55 Jahren, davon 30 Jahre als Freiberufler, und hatte auch vorher immer mit Literatur zu tun. Ich war am Ende des Krieges 16 Jahre alt und von der Naziideologie indoktriniert, und mit Kriegsende war plötzlich alles anders. Ich musste vollkommen umlernen, vieles lernen, was ich nicht begriff, moderne Malerei zum Beispiel, in der ich vorher nur bunte Flecken sah. Moderne Literatur hat mich wahnsinnig interessiert. Als Erstes las ich die Four Quartets von T.S Eliot, und weil ich das nicht verstehen konnte, habe ich versucht, es zu übersetzen. Und das ist im Grunde genommen mein Leben lang so weitergegangen: Ich habe übersetzt, um zu verstehen. Erst T.S. Eliot, dann fing ich an, Bücher zu übersetzen, Romane. Ich hatte das Glück, von manchen Verlegern nett behandelt zu werden, von anderen aber weniger. Einer der weniger Netten war ausgerechnet Suhrkamp: Irgendwann habe ich gehört oder gelesen, dass es einen Gedichtband von Eliot gebe, den man nicht übersetzen könne, das war Old Possum’s Book of Practical Cats. Daran habe ich mich gesetzt, und das erregte die Aufmerksamkeit des Verlages. Man hat mir gesagt, ja, das machen wir, aber kurz vor Weihnachten hieß es dann plötzlich, nein, so geht das doch nicht, wir wollen bitte Ihre Übersetzung als Vorlage an bekanntere Leute geben. Und das geschah dann auch. Von mir ist aber trotzdem noch sehr viel dabei. Dieses Buch hat inzwischen eine Auflage von über achtzigtausend. Und ich habe hundertfünfzig Mark dafür bekommen. Solche Dinge sind damals en gros passiert. Später, als ich selber im Verlag arbeitete, habe ich versucht, genau das zu verhindern, und mit Übersetzern nett umzugehen.

Zur Gründung: Es gab in Hamburg ein paar Übersetzer, und von einer Übersetzerin, nämlich Anna-Liese Kornitzky, die krank war, wurde ich gebeten, ihr zu helfen. Das habe ich natürlich gerne getan, unter anderem hat sie mich gebeten, ein halbes Buch zu übernehmen, Marjorie Morningstar von Herman Wouk – aber das durfte um Gottes willen der Verleger, Wolfgang Krüger, nicht erfahren. Ich wurde also zu strengstem Stillschweigen verpflichtet, was insofern ein Witz ist, als ich später zwei dicke Bücher von Herman Wouk übersetzt habe, die Kriegsgeschichten: Der Krieg, Der Feuersturm. Dadurch lernte ich also die Kornitzkys kennen, und eines Tages sagte sie: ,Da sind ein paar Leute, die sich treffen wollen, alles Übersetzer – mal sehen, was wir zusammen erreichen können.‘ Ich ging mit.“

In 55 Jahren seines Berufslebens hat Werner Peterich – wie Kollegen berichten – in eindrucksvoller Geschwindigkeit, fast im Akkord, übersetzt, um seine Familie davon zu ernähren. Seine Übersetzungsbibliographie zählt über 100 Titel, große Autoren, wie Henry James, V.S. Naipaul, Philip Roth, Evelyn Waugh, John le Carré, E.M. Forster und James Clavel sind dabei; erschienen sind die meisten seiner Übersetzungen bei namhaften Verlagen wie Hanser, Kiepenheuer, Droemer und Hoffmann & Campe. Werner Peterich hat nie großes Aufheben um seine Leistungen und seine Person gemacht. Aber sein Oeuvre lebt weiter, ein Großteil seiner Werke ist lieferbar.


Helga Pfetsch (2014-2019 Präsidentin des Freundeskreises zur Förderung literarischer und wissenschaftlicher Übersetzungen e.V. und von 1997-2005 Vorsitzende des VdÜ.

Josef Winiger übersetzt seit den 1980er Jahren aus dem Französischen. Er hat zahlreiche Übersetzerwerkstätten geleitet und mehre eigene Schriften publiziert.


Der Nachruf erscheint ebenfalls in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift Übersetzen. 

(26.2.24)