Pressemitteilung
VdÜ / Bundessparte Übersetzer im Verband deutscher
Schriftsteller (VS) in der IG Medien
5. Mai 1999
Piper Verlag läßt alle Bücher von Alessandro
Baricco neu übersetzen und zieht die bisherigen Übersetzungen
von Karin Krieger zurück.
Der Piper Verlag hat dem Rechtsvertreter der Übersetzerin
Karin Krieger, RA Peter Beisler, unter dem Datum 28. April
mitgeteilt, der von seiner Mandantin übersetzte und Ende
Februar erschienene Roman Novecento von Alessandro
Baricco sei "zwischenzeitlich in einer zweiten Auflage
in einer Übersetzung von Erika Christiani erschienen".
Weiter heißt es in dem Schreiben des Verlags: "Alle
weiteren Bücher von Alessandro Baricco werden derzeit
neu übersetzt und im Laufe des Jahres 1999 umgestellt.
Dies gilt auch für die angekündigte Taschenbuchausgabe
von ¥Seideƒ. Die Rückgabe der Übersetzungsrechte
an Frau Krieger wird voraussichtlich noch während des
Jahres erfolgen."
Zur Vorgeschichte:
Karin Krieger hat für den Piper Verlag insgesamt fünf
Bücher von Baricco übersetzt. Erschienen sind bisher
die Romane Seide (Februar 1997), Land aus Glas
(März 1998) und Novecento (Februar 1999). Noch
unveröffentlicht sind ihre Übersetzungen von Oceano
mare (abgegeben 1996) und Lƒanima di Hegel e le mucche
del Wisconsin (abgegeben im März 1998).
In den zahlreichen Rezensionen von Seide, dem deutschen
Debüt des bis dahin hierzulande völlig unbekannten
italienischen Autors, hat die Kritik weit häufiger und
eingehender als sonst üblich auf die besonders gelungene
Übersetzung ins Deutsche hingewiesen. Von dem Buch konnten
innerhalb weniger Monate mehrere Auflagen verkauft werden,
im Sommer 1997 stand es auf den Bestsellerlisten (inzwischen
ist allein die Hardcover-Ausgabe in der 16. Auflage mit weit
mehr als 100 000 verkauften Exemplaren). Angesichts dieses
außerordentlichen Erfolges bat die Übersetzerin
den Verlag unter Hinweis auf ‹ 36 Urheberrechtsgesetz um eine
angemessene Erfolgsbeteiligung. Als ihr diese abgeschlagen
wurde, beauftragte sie auf Anraten des Justitiars der IG Medien
im Januar 1998 den Münchner Rechtsanwalt Peter Beisler
mit der Wahrung ihrer Rechte. Mit diesem hat sich der Verlag
dann darauf geeinigt, der Übersetzerin für Seide
eine Erfolgsbeteiligung von 1% vom Nettoladenpreis ab dem
30 001. verkauften Exemplar zu zahlen. Nach Einigung und Zahlung
des bisher angefallenen Honorars hat er nun jedoch mitgeteilt,
daß er alle Bücher von Baricco neu übersetzen
lassen und die Übersetzungen von Karin Krieger zurückziehen
werde.
Der Grund für diese im Verlagswesen singuläre Maßnahme
wird zwar vom Piper Verlag nicht genannt, kann aber nichts
mit den Übersetzungen selbst zu tun haben. Denn bis vor
kurzem waren diese wie ihre Urheberin im Piper Verlag hochgeschätzt.
Noch im Mai 1998, als Karin Krieger für ihre Seide-Übersetzung
den ARGE-ALP-Leserpreis in Salzburg erhielt, hatte der Verlag
ihr dazu mit den Worten gratuliert: "Wir freuen uns sehr
mit Ihnen und sind stolz auf ¥unserƒ Buch." Der Verdacht,
daß es sich bei der jetzt überraschend und ohne
jede Vorankündigung mitgeteilten Maßnahme um eine
Strafaktion gegen die Übersetzerin handelt, weil sie
es gewagt hat, ihr Recht als Urheberin mit Hilfe eines Anwalts
einzufordern, drängt sich auf.
Als gewählte Vertreter des Berufsverbands der literarischen
Übersetzer protestieren wir aufs schärfste gegen
ein solches Vorgehen. Wir sehen darin einen krassen und völlig
inakzeptablen Anschlag auf unseren Status als Urheber unserer
Übersetzungen. Gewiß steht es jedem Verlag frei,
sich seine Übersetzer auszusuchen, aber ein bereits veröffentlichtes,
erfolgreich verkauftes und allseits gelobtes Übersetzungswerk
auf diese Weise nicht nur "aus dem Markt zu nehmen",
sondern rückwirkend aus dem Katalog zu streichen,
als ob es nie existiert hätte, und es durch ein anderes
zu ersetzen, kommt einem Versuch gleich, dessen Urheberin
in ihrer übersetzerischen Existenz zu vernichten.
Zugleich sehen wir darin einen Verrat am Autor, der darauf
angewiesen ist, daß sein deutscher Verlag pfleglich
und sachgemäß mit seinem Werk umgeht und es in
der bestmöglichen Form auf dem Markt präsentiert.
Inwiefern eine Neuübersetzung aller seiner Bücher
unter solchen Bedingungen sachgemäß sein
soll, mag der Verlag ihm erklären.
Aus den gleichen Gründen sehen wir darin schließlich
eine grobe Mißachtung der Leserschaft dieses Autors,
die ihn bisher in anerkannt hervorragenden Übersetzungen
kennenlernen konnte und ihn nun künftig aus unerfindlichen
Gründen in ganz anderen Fassungen lesen muß. Alles
spricht dafür, daß hier eine ganz und gar sachfremde
Willkürentscheidung vorliegt, von der wir auch im Hinblick
auf den guten Namen und Ruf des Verlags nur hoffen können,
daß er sie schleunigst zurücknimmt.
Stuttgart, den 5. Mai 1999
Der Vorstand
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