Auszüge aus der Klageschrift von RA Beisler

vom 10.09.1999 im Prozeß Karin Krieger ./. Piper Verlag

Übersetzungen werden (unbeschadet des Urheberrechts am bearbeiteten Werk) wie selbständige Werke geschützt (‹ 3 S. 1 UrhG). Übersetzungen sind grundsätzlich eigenschöpferische Leistungen, da die neue Sprachform Einfühlungsvermögen und stilistische Fähigkeiten erfordert und damit den individuellen Geist des Übersetzers zum Ausdruck bringt (vgl. OLG Zweibrücken, GRUR, 1997, 363). Bei den streitgegenständlichen Übersetzungen der Klägerin ist dies zweifelsfrei.

Schon das Reichsgericht hat ausgesprochen: Man muß sich von der Vorstellung freimachen, daß die Übersetzer urheberrechtlich einen geringeren Rang einnehmen. Unter Übersetzertreue ist jene höhere künstlerische Treue zu verstehen, die darauf abziele, im Leser der Übersetzung die gleiche seelische oder künstlerische Wirkung zu erzielen, wie sie das Werk selbst vermittelt (RG Z 151, 51, 53). Der im Frankreich des 19. Jahrhunderts entwickelte Begriff des "droit moral" ist sowohl in das internationale als auch das deutsche Urheberrecht eingegangen mit dem deutschen Begriff Urheberpersönlichkeitsrecht. In der Revidierten Berner Übereinkunft ist der Schutz des droit moral verankert und umfaßt, unabhängig von seinen vermögensrechtlichen Befugnissen und selbst nach deren Abtretung, sowohl das Recht des Urhebers, die Urheberschaft am Werk für sich in Anspruch zu nehmen, als auch das Recht, sich jeder Entstellung, Verstümmelung, sonstigen Änderung oder Beeinträchtigung des Werkes zu widersetzen, die seiner Ehre oder seinem Ruf nachteilig sein könnten (Art. 6 bis Abs. 1 RBÜ; vgl. Schricker, Urheberrecht, 2. Auflage, Vor ‹‹ 12 ff., Rn. 23 ff.). Unter dem Urheberpersönlichkeitsrecht versteht man diejenigen Rechtsbeziehungen des Urhebers zu seinem Werk, die nicht materieller Natur sind. Seine Entwicklung beruht auf der Erkenntnis, daß das Werk untrennbar mit seinem Schöpfer verbunden bleibt. "Es ist Ausdruck seines Denkens und Fühlens, seines Temperaments, seines Stils, kurz seiner Persönlichkeit. Es ist gewissermaßen das geistige Kind seines Schöpfers; es trägt wie dieses die Wesenszüge seines Erzeugers auch dann noch in sich, wenn es sich von diesem für immer getrennt hat" (Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Auflage, Vor ‹ 12 Rn. 1).

Bei Übersetzungen kommt hinzu, daß diese "Bearbeitung" mit der Rechtssituation am fremdsprachigen Originalwerk selbst eng zusammenhängt. Nur wer das Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung des Originalwerkes in der zu übersetzenden Sprache erworben hat, kann das selbständige Verlagsrecht der Übersetzung zur gemeinsamen Verwertung erwerben. Auf der anderen Seite kann ein Übersetzer sein Werk nicht ohne die Einwilligung desjenigen verwerten, der die Verlagsrechte an Originalwerk für die neue Sprache besitzt.

Im konkreten Fall: Die Klägerin könnte keine ihrer Übersetzungen ohne die Beklagte verwerten. Aus dieser Bindung zwischen deutschsprachigem Verlag und deutschsprachiger Übersetzerin entspringt ein gesteigertes Treueverhältnis, das beide Parteien gleichermaßen zu berücksichtigen haben und das über das allgemeine besondere Vertrauensverhältnis zwischen Verfasser und Verleger (vgl. Bappert/Maunz, Schricker, Verlagsrecht, 2. Aufl., ‹ 1 Rn. 20) hinausgeht. Dieses Treueverhältnis wirkt auf die Bestimmung des ‹ 14 UrhG als kodifizierte Vorschrift des Urheberpersönlichkeitsrechtes. Hiernach hat der Urheber das Recht, eine Entstellung oder andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. Dieses Interesse der Klägerin ist, die von ihr geschaffenen und in der Presse hoch gelobten Übersetzungen weiter verbreitet zu sehen. Sie hat sich nicht zuletzt als Übersetzerin des Erfolgsautors Baricco einen Namen gemacht. Sie hat ein dringendes Interesse daran, daß ihr "geistiges Kind" weiterlebt.

Durch die Behauptung der Beklagten, es sei keine Einigung über drei Werke und Teilbereiche erzielt, muß die Klägerin befürchten, daß ihre Bücher vom Markt verschwinden. Bei Novecento ist das bereits geschehen. Es sollen alle Übersetzungen der Klägerin ausradiert werden, folgt man der Meinung der Beklagten. Diese Möglichkeit ist der Beklagten durch ihre deutschsprachigen Verlagsrechte an Bariccos Werken eröffnet. Sie hat aber nicht das Recht, die geistigen Kinder der Klägerin durch diesen Handstreich zu töten.

Als die Ankündigung der Beklagten bekannt wurde, sind Dutzende von Protesten beim Piper Verlag eingegangen. In zahllosen Presseveröffentlichungen und Kommentaren, auch in der italienischen, französischen und englischen Presse, wurde die Vorgehensweise der Beklagten schwer gerügt und die Beklagte aufgefordert, ihre Entscheidung zu revidieren. Als letztes, aber schlagendes Beispiel lege ich eine Resolution der "International Federation of Translators" (FIT) vom 04. August 1999 vor, die der Beklagten vorwirft, sie setze "sich rücksichtslos über die Rechte einer künstlerischen Urheberin hinweg, die eine ausgezeichnete Übersetzung für deutsche Leser geschaffen hat. Das ist schlicht und einfach kultureller Vandalismus". Dem ist nichts hinzuzufügen.

Der Beklagten steht weder ein Anlaß, geschweige denn ein Rechtfertigungsgrund zur Seite. Im Handeln der Beklagten liegt in jedem Fall eine unzulässige Rechtsausübung. Nach Meinung des Unterzeichners kann die Aktion nur den Zweck haben, der Klägerin einen Schaden zuzufügen. Dies ist bereits nach ‹ 226 BGB als Schikane unzulässig.

[...]

Wettbewerbsrechtliche Ansprüche

a) Die Beklagte hat nicht ein neues Werk mit einer neuen ISBN-Nummer herausgegeben, sondern handelt sittenwidrig im Sinne des ‹ 1 UWG, indem sie den Ë der Übersetzung der Klägerin allein zufallenden Ë Ruf wettbewerbswidrig ausbeutet und damit auch den Verkehr noch irreführt. Nachdem die gut funktionierende Übersetzung des Werkes Novecento als drittes Buch der gelobten Übersetzungen, die das Buch auf dem deutschsprachigen Markt sozusagen mit auf den Weg gebracht hat, erschienen ist, wird nunmehr eine andere Version in gleicher Aufmachung und unter der gleichen ISBN-Nummer dem Kunden "untergeschoben". Die Werbung der Beklagten für Novecento begann ausschließlich mit dem Namen der Klägerin. Dies ist sittenwidrig im Sinne des ‹ 1 UWG (vgl. Bauinbach/ Hefermehl Ë im folgenden B/H Ë, Wettbewerbsrecht, 21. Auflage, ‹ 1, UWG, Rn. 544 b m.w.Z.).

Hat jemand eine positive Rezension gelesen, das Buch in der Übersetzung der Klägerin gekauft, gelesen, für gut befunden und weiterempfohlen oder gar mit dem Wunsch, es zu verschenken, noch einmal gekauft, so bekommt er nun Ë von dem ebenfalls ahnungslosen Buchhändler, wie der Unterzeichner sich selbst überzeugen konnte Ë im gleichen Umschlag mit der gleichen ISBN-Nummer ein völlig anderes Buch. Die Beklagte, die mit Hilfe der Übersetzungen der Klägerin die Rezensionslorbeeren als "Anschubwerbung" für Bariccos Bücher erhalten hat, schiebt eine schlechtere Ware nach, von der Kritik völlig unbeachtet. Damit unterläuft die Beklagte die Funktionsmechanismen der öffentlichen Literaturkritik geschickt, weil kein Kritiker bei gleicher Aufmachung überhaupt auf die Idee kommt, es handele sich um ein neues zu besprechendes Buch. Das eigene Unlauterkeitsmerkmal der Täuschung im Verkehr erfolgt durch die identische ISBN (Internationale Standard-Buchnummer). Die Standard-Buchnummernverwaltung der Buchhändler Vereinigung GmbH in Frankfurt/Main vergibt die Verlagsnummer im Sinne des weltweiten ISBN-Systems und auf Antrag einzelne Titelnummern. Sie ist inzwischen Kennzeichen des Wettbewerbes unter den Verlagen.

Gemäß Ziffer 18 des ISBN-Leitfadens verlangt das ISBN-System zwingend bei jeder neuen, veränderten Auflage eines Verlagserzeugnisses eine neue ISBN. Gemäß Ziffer 34 des Leitfadens muß eine neue ISBN vergeben werden, wenn eine neue Auflage mit Titel, Text oder Abbildungen gegenüber der vorhergehenden Auflage verändert wird. Damit ist die Irreführung des Verkehrs eklatant, die Handlung der Beklagten nach ‹ 1 UWG sittenwidrig (vgl. auch hier B/H, a.a.O., ‹ 1 Rn. 576, 577).

b) Zwischen der Klägerin und der Übersetzerin Cristiani besteht ein Wettbewerbsverhältnis. Die Beklagte benutzt die Übersetzerin Cristiani als Werkzeug und hat angekündigt, auch andere Übersetzer als Werkzeug zur Behinderung des Wettbewerbes der Klägerin auf dem Buchmarkt einzusetzen. Mit dieser Möglichkeit und dem Besitz der deutschen Verlagsrechte Bariccos kann die Beklagte die wirtschaftliche Verwertung des Urheberrechtes der Klägerin eliminieren. Dadurch entsteht ein Wettbewerbsverhältnis auch zwischen den Parteien.

c) Die EG-Richtlinie 84/450 (B/H, a.a.O., S 41 ff.) verlangt kein Wettbewerbsverhältnis. Sie definiert in Artikel 2, Ziffer 2, unter "irreführende Werbung" jede Werbung, die in irgendeiner Weise (einschließlich ihrer Aufmachung) die Personen, an die sie sich richtet oder die von ihr erreicht werden, täuscht oder zu täuschen geeignet ist und die infolge der ihr innewohnenden Täuschung ihr wirtschaftliches Verhalten beeinflußen kann. Art. 2 Ziff. 1 verlangt ebenfalls kein Wettbewerbsverhältnis. Der Begriff "Handel zu Zwecken des Wettbewerbs" ist richtlinienkonform auszulegen (vgl. B/H, a.a.O., Einl. UWG, Rn. 249).

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